Jüdische Männer würden, genau wie Frauen, »menstruieren« – davon berichtet ein Kanon von vormodernen christlichen Quellen. Sie kreieren ein Bild von jüdischer Identität, in dem sich Vorstellungen von religiöser, sozialer und körperlicher Minderwertigkeit verschränken. Der Vortrag zeichnet die Geschichte dieses unbekannten antisemitischen Motivs nach.
Ein Kanon von christlichen Quellen ab dem 12. Jahrhundert beschreibt den jüdischen Mann als von einem abnormen Blutungsleiden Betroffenen. Diese Blutung wird als Form »männlicher Menstruation« verstanden und als ein christliches Sinnbild für die religiöse und soziale Minderwertigkeit der Juden. Diese wiederum wird in den Körper »eingeschrieben«. Das Dissertationsprojekt stellt die relevanten Quellen aus theologischen, medizinischen und politischen Verfasserhintergründen zusammen und untersucht das Bild des »menstruierenden« Juden mithilfe der literarischen Motivtheorie. Jüdische »männliche Menstruation« wird als literarisches Motiv verstanden, um die Intentionen eines betreffenden Textes zu verdeutlichen, die an sein Publikum herangetragen werden. Dadurch wird sichtbar, wie Religion, Physiologie und Geschlecht bereits vormodern als soziale Determinationskategorien zusammenwirken und eine Vorstellung von Identität und Alterität begründen, die als proto-rassistisch bezeichnet werden kann.
Kerstin Mayerhofer ist Judaistin und promoviert an der Universität Wien zu vormodernen Diskriminierungsmechanismen am Beispiel des christlichen Motivs des »menstruierenden« Juden. Ihre Dissertation wird an der Queen Mary University London zweitbetreut. Sie ist Mitherausgeberin der Reihe An End to Antisemitism! (Berlin, 2019 – 2021) und derzeit IFK_Junior Fellow.
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