23 Oktober 2017
  • Lecture
IFK

VERSUCH EINER HAUNTOLOGIE DES SCHICKSALSJAHRES 1933

18:15

In seinem Buch „Marx' Gespenster bemerkt der Erzvater der „Hauntologie“, der französische Philosoph Jacques Derrida, dass ein Phantom niemals wirklich stirbt: „es bleibt stets zu-künftig und wieder-künftig“. Diese Definition trifft wohl in besonderem Maße für das Schicksalsjahr 1933 zu, das in der historischen Imagination des 21. Jahrhunderts noch immer sehr lebendig und spukhaft geblieben ist.

 

Wenn die gegenwärtige Welt aus den Fugen zu geraten droht, lassen sich Kulturbeobachter häufig dazu verleiten, einen Vergleich mit dem Jahr 1933 zu ziehen. Bietet dieser Vergleich irgendeinen Weg aus der Verwirrung? Ist es nicht gerade so, dass man sich mit Gespenstern umgibt, sobald man sich mit Geschichte beschäftigt? Die Ordnung der Präsenz wird ja von einer phantomartigen Figur abgelöst, die weder tot noch lebendig, weder anwesend noch abwesend ist.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Beweggründe historischer Akteure nur sehr schwer festgestellt werden können. Der Kern, der die Phantome zusammenhält, entzieht sich uns fortwährend und bleibt gespensterhaft. Und wenn man den Vergleich zwischen damals und heute weiterverfolgt, durchdringt diese gespenstische Zweideutigkeit auch den jetzigen Moment.

Eben darum übt das Schicksalsjahr 1933 wohl eine so verlockende Wirkung auf unsere historische Imagination aus. Die Lehre des Gespenstischen kann uns dabei behilflich sein, nicht komplett vom Kurs abzukommen und möglichst realistisch zu bleiben. Versuchen wir also eine Gespensterjagd am Beispiel des Jahres 1933!

 

Léon Hanssen ist Professor im Bereich Life Writing and Cultural Memory

am Department of Culture Studies an der Tilburg School of Humanities und derzeit IFK_Gast des Direktors.

Weitere Informationen zu Léon Hanssen

Ort: IFK