Welches künstlerische Potenzial bergen Zustände des Halbbewusstseins? Was haben Somnambule mit Marionetten gemein? Und welche Vorzüge halten diese gegenüber herkömmlichen SchauspielerInnen bereit? Rosemarie Brucher geht diesen Fragen auf den Grund.
Sowohl in Heinrich von Kleists Schrift Über das Marionettentheater (1810) als auch in Edward Gordon Craigs schauspieltheoretischen Überlegungen zur „Übermarionette“ am Beginn des 20. Jahrhunderts wird eine allzu große Bewusstheit der ausführenden KünstlerInnen als nachteilig für den künstlerischen Prozess bewertet. Dem gegenüber stehen Versuche, Zustände des Halbbewusstseins, wie sie beispielsweise den Somnambulismus kennzeichnen, für die Kunst nutzbar zu machen. Deren Erschließung bildet das Zentrum der sich über die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts generierenden Psychowissenschaften und findet um 1900 nun auch Eingang in kunsttheoretische Fragestellungen. Der Vortrag fokussiert diese Adaptionen bewusstseinstheoretischer Überlegungen in einer Gegenüberstellung von Kleist und Craig und deren jeweiligen Überlegungen zur (Über-)Marionette.
Rosemarie Brucher studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Komparatistik in Wien und Leipzig. Sie ist seit Mai 2019 Prorektorin der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) und leitet zudem das Institut für Wissenschaft und Forschung (IWF) ebendort. Aktuell arbeitet sie an ihrer Habilitation zum Thema Theater & Bewusstsein: Psychowissenschaftliche Einflüsse auf Schauspieltheorien um 1900.
Ort: MUK Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien
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